Kalifornischer Geist im Schwabenländle
Christian Gaiser aus Baiersbronn und sein Online-Netzwerk „kaufDA“ / Top-Manager mit 25 Jahren
Der Baiersbronner Christian Gaiser ist gerade mal 25 Jahre alt und schon auf Platz 35 der Top-Manager Deutschlands gewählt worden. Vor Kurzem übernahm die Springer Media AG für einen zweistelligen Millionenbetrag den Großteil seines Online-Netzwerkes „kaufDA“.
Marie GrossChristian GaiserFreudenstadt. Es ist einer der ersten warmen Frühlingstage in Freudenstadt. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau, die Menschen schauen freundlicher. Christian Gaiser, 25 Jahre alt, Geschäftsführer und Gründer des Online-Netzwerkes „kaufDA“ genießt es, in der Heimat zu sein: „Immer wenn ich aus dem Schwarzwald wieder nach Berlin komme, fragen mich die Leute, ob ich eine Verjüngungskur gemacht habe.“ Seit knapp zwei Jahren wohnt der Baiersbronner in Berlin und kann sich mit dem Smog und der Berliner Schnauze noch immer nicht recht anfreunden. Doch seit seine Internetseite für Furore sorgt, hat er keine andere Wahl: „Berlin ist international, hat viele junge Leute und ein krasses Wachstum.“ Perfekte Voraussetzungen für ein Online-Netzwerk, das inzwischen 70 Mitarbeiter beschäftigt. „Letzte Woche“, sagt er stolz, „sind nochmal zehn dazu gekommen.“
Elegante Kleidung, gewinnendes Lächeln, zuvorkommende Art. Blendwerk? Vielleicht. Auf jeden Fall ein sehr sympathisches. Von Anfang an war klar, dass Gaiser das Unternehmen nach außen präsentieren würde: „Da ich am meisten rede, bin ich dafür zuständig die Leute zu überzeugen.“ In einem Alter, in dem andere gemächlich ihr Studium zu Ende bringen, hat er es zusammen mit zwei Freunden geschafft, große Verlage und Unternehmen Deutschlands von ihrer Vision zu überzeugen. Vor vier Monaten hat die Springer Media AG 74,9 Prozent des Online-Netzwerks übernommen. Geschätzte Übernahmesumme: Irgendwas zwischen 25 und 30 Millionen Euro. Und das Wochenmagazin der Kommunikations- und Medienbranche „W & V“ wählte Gaiser auf Platz 35 der Top-Manager Deutschlands.
Gaiser kommt aus einer eher traditionellen Familie. Sein Vater ist Besitzer des Hotels „Schwanen“ in Baiersbronn, die Mutter kommt aus Norditalien. Die Eltern erwarteten, dass der Sohn das Hotel einmal übernehmen würde. Dem ist aber schon früh klar, dass er den Eltern diesen Wunsch nicht erfüllen wird: „Ich habe bei einem Praktikum im Hotel bemerkt, dass ich zwei linke Hände habe.“
Während der Schulzeit engagiert Gaiser sich in der Politik, wird Kreisvorsitzender der Jungen Union und organisiert Treffen mit bedeutenden Christdemokraten wie Wolfgang Schäuble und Angela Merkel. Die politische Arbeit treibt ihn um, aber nicht so recht an: „Politik kommt zu langsam voran.“ 2005 macht er sein Abitur am Wirtschaftsgymnasium in Freudenstadt und besteht das harte Auswahlverfahren der renommierten „WHU Otto Beisheim School of Managment“. Dort lernt er Tim Marbach kennen. Beide verbindet das politische Engagement – wenn auch für verschiedene Parteien: „Tim ist bei den Freien Liberalen. Da konnten wir uns von Anfang an die Köpfe einhauen.“ Gaiser grinst.
Die „Leistungsleidensgemeinschaft“ wie er die anspruchsvolle Privatschule ehrfürchtig nennt, schweißt Gaiser und Marbach zusammen. So reisen die beiden zusammen für ihre Abschlussarbeit nach Kalifornien ins Silicon Valley, dem Motor und Ideenparadies der globalen Hightech Wirtschaft. Die Studenten lassen sich von der Energie und dem amerikanischen Optimismus anstecken. Gaiser nennt es „Spirit“. Dort scheint alles möglich.
Als die Studenten in einer Studie lesen, dass jährlich mehr als eine Milliarde Werbeprospekte wahllos in den Briefkästen der Deutschen landet, kommt ihnen die Idee: Warum nicht online einen Marktplatz gründen, der es Verbrauchern ermöglicht, Einsicht in alle Werbeprospekte Deutschlands zu bekommen – geordnet nach Stadt, Produktwunsch und Preis? Zurück in Deutschland ist vom „Californian Spirit“ aber nicht mehr viel zu spüren. Ihre Idee wird zunächst als „Schwachsinn“ abgetan. Auch die Familie steht den Plänen des Juniores kritisch gegenüber. Als Christian Gaiser den Eltern sagt, dass er ein vielversprechendes Jobangebot der Investmentbank „Goldman Sachs“ in London ablehnen werde, um die eigene Idee weiterzuverfolgen, bittet die Mutter: „Mach’ das bloß nicht!“ Gaiser aber hat sich schon entschieden. Es geht ihm nicht ums sichere Einkommen: „Es geht nicht ums Geld, es geht um das Spiel“, zitiert er aus dem Hollywood-Streifen „Wall Street“.
So beginnt Gaiser Anfang 2009 mit seinen Mitstreitern – inzwischen ist ein dritter Partner, Thomas Frieling, dazu gestoßen – den Schnäppchenmarktplatz aufzubauen. Den ständigen Wechsel von Glücksmomenten und Enttäuschungen vergleicht der 25-Jährige mit einer Achterbahnfahrt: „Das ist wie eine Droge.“ Der Erfolg kommt rasant schnell und mit ihm die Anerkennung und – zur Beruhigung der Eltern – auch das Geld.
Der Kampf im Internet um Klicks und Unternehmen fordert jedoch auch seine Opfer: „Privatleben hatte ich in den letzten Jahren keins“, sagt Gaiser. Er ist viel unterwegs, die Verhandlungsphasen sind zeitaufwendig und intensiv. Trotzdem bereut er seine Entscheidung nicht: „Lieber arbeite ich 100 Stunden etwas, woran mein Herz hängt, als 20 Stunden etwas, was mir keinen Spaß macht!“
Neulich, erzählt er, sei bei der Sicherheitskontrolle am Flugha- fen sein Laptop untersucht worden. Der Sicherheitsbeamte habe die „kaufDA“-Aufkleber auf dem Laptopdeckel interessiert gemustert und gesagt: „Auf der Seite habe ich letztens erst geguckt. Arbeiten Sie da?“ Gaiser lächelte und bejahte. Bescheiden und stolz. „Schon als ich klein war, hat mir meine Mutter immer gesagt, dass ich übers Ziel hinaus schieße“, erzählt Gaiser, hält kurz inne und grinst: „Aber genau das ist es, was mir Spaß macht!“
26.03.2011 - 08:30 Uhr